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Smart und selbstbestimmt – technisch unterstütztes Wohnen

Smart Home und AAL

Gebäude- und Hausautomatisierung
31.07.2024

Ein Smart Home System ist nicht nur etwas für Technik-Freaks, sondern kann auch Teil eines AAL-Konzepts sein (AAL = Ambient Assisted Living). So ist das Leben in den eigenen vier Wänden auch mit körperlichen Einschränkungen selbstbestimmt möglich. In einer alternden Gesellschaft wächst der Bedarf an unterstützenden Technologien.

Inhaltsverzeichnis und Quicklinks

In den eigenen vier Wänden leben bis ins hohe Alter trotz körperlicher Einschränkungen, das ist nicht nur der Wunsch der meisten Menschen, sondern auch eine gesellschaftliche Notwendigkeit. Bis zum Jahr 2035 wird jeder dritte Deutsche über 60 Jahre alt sein, prognostiziert der aktuelle Altersbericht der Bundesregierung. Um all diesen Menschen ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen, braucht es massive Investitionen in die Automation des Gebäudebestands.

Dies bedeutet jedoch nicht, dass der komplette Wohnungsbestand generalsaniert werden muss, inklusive Bus-Leitungen. Vielmehr gibt es heute weniger invasive Methoden der intelligenten Vernetzung. Eine Op­tion: KNX per Funk. Die Möglichkeiten, ein kabelgebundenes KNX-System zu erweitern oder ein Smart-Home-System auf KNX-Standard nachträglich einzubauen, waren in der Vergangenheit eher bescheiden. Nicht wenige Bauherren scheuten Installationsaufwand und Kosten und entschieden sich, auf den zusätzlichen Komfort zu verzichten. Nun ist die Installation eines funkbasierten Smart-Home-Systems auf Basis von KNX ohne großen baulichen Aufwand möglich.

  • RF-Taster DarstellungBild 2: Die RF-Taster-Aktor-Module werden in die vorhandenen Dosen eingebaut© Theben

AAL – was ist das?

Das eigenständige Leben bis ins hohe Alter kann durch eine ganze Reihe an technischen Einrichtungen unterstützt werden. Sie lassen sich zusammenfassen unter dem Titel »Ambient Assisted Living«, kurz AAL. Ambient Assisted Living ist der Überbegriff für verschiedene Technologien, die nicht mehr ganz mobilen oder gar pflegebedürftigen Menschen bei der Bewältigung ihres Alltags helfen. Die technischen Mittel für altersgerechte Assistenzsysteme reichen von einfachen Anpassungen bei Mobiltelefonen bis hin zu komplexen Smart-Home-Systemen. Die Assistenzsysteme passen sich den individuellen Bedürfnissen der Menschen an und verbessern ihre Lebensqualität dadurch wesentlich.

Dazu werden technische Assistenzsysteme ebenso wie Smart-Home-Technologien eingesetzt, die sowohl mit dem Internet als auch miteinander vernetzt sein können. Die Anwendungsfelder dieser Technologien sind vielfältig und reichen von der Sturzerkennung über den Brandschutz bis zu intelligenten Türöffnungs- oder Beleuchtungssystemen. Der aktuelle Altersbericht zeigt auch auf, dass viele ältere Menschen, bzw. ihre Angehörigen, bereit sind, digitale Technologien zur Alltagsunterstützung in der Wohnung anzuschaffen und zu nutzen, wenn diese die Selbständigkeit unterstützen.

Sprachsteuerung für KNXBild 3: Offline-Sprachsteuerung für KNX© ProKNX

Anwendungsfall Wohngebäude

Eine Möglichkeit, ein Smart-Home-System auf KNX-Basis nachträglich einzubauen, bietet beispielsweise »Luxorliving Smart Start« von Theben. Die Systemzentrale besteht aus einem Modul für den Einbau in eine UP-Dose: Die zentralen Funktionen übernimmt der Raumcontroller »Luxorliving IP-RF« (Bild 1). Es lässt sich ohne die Software ETS in Betrieb nehmen und umfasst Taster-Aktor-Module für Schalten, Dimmen und Jalousiesteuerung (Bild 2).

Die Funk-Kommunikation ist dank KNX Data Secure vor Datendiebstahl und Manipulationen geschützt. Die Bedienung erfolgt über den Raumcontroller und Taster oder per App bzw. Sprachsteuerung. Fernsteuerung ist optional über eine sichere Cloud möglich. Eine Offline-Sprachsteuerung bietet zum Beispiel das Sprachsteuerungssystem »Aragon« von ProKNX, das ohne Internetverbindung funktioniert (Bild 3). Die Sprach­analyse und die Befehlsausführung erfolgen lokal auf dem Gerät.

Bewegungsmelder vermeiden Unfälle

In der Praxis kann das Leben mit AAL zum Beispiel so aussehen: Ein Multiple-Sklerose-Patient lebt seit Jahren in seiner Mietwohnung. Die fortschreitende Krankheit bedeutet für ihn, nur noch mit dem Rollator sicher gehen und stehen zu können. So hat er, während er sich in seiner Wohnung bewegt, nie eine Hand frei, um Schalter zu betätigen, bzw. riskiert er in genau diesen kleinen Alltagssituationen einen Sturz. Jeder Lichtschalter wird somit zum potenziellen Risiko.

Wandbewegungsmelder lösen das Problem etwa in Flur, Küche oder Badezimmer. Sie schalten das Licht bei Bewegungsdetek­tion an und berücksichtigen dabei die aktuellen natürlichen Lichtverhältnisse. Große Räume sind dabei kein Hindernis für die Nutzung: So hat beispielsweise der Bewegungsmelder »themura« einen Erfassungsbereich von 12m x 17m.

Mehr Sicherheit mit Zentral-Aus

Die Nutzung eines Melders bietet einen weiteren Komfortvorteil. Jedem ist es schon einmal passiert: Man geht abends ins Bett und kaum liegt man, stellt man fest, dass das Licht in einem anderen Raum noch brennt. Und während es für die meisten Menschen einfach unkomfortabel ist, wieder aufstehen zu müssen, um nicht die ganze Nacht mit Licht und dementsprechend unruhig zu schlafen, ist es für körperlich eingeschränkte Menschen oft ein Kraftakt.

Hier hilft es, wenn das Licht nach einer definierten Nachlaufzeit von allein erlischt. Eine weitere Lösung wäre eine Zentral-Aus-Funktion, mit der etwa über einen Taster neben dem Bett und dem Eingang alle Stromkreise unterbrochen werden, die nicht auf Dauerstrom angewiesen sind.

Von einem Ort aus steuerbar

Ein anderer Anwendungsfall verdeutlicht, wie auch mit großen körperlichen Einschränkungen ein komfortables Leben im eigenen Heim realisierbar ist: eine typische Familie im Eigenheim, durch tragische Umstände ist die Mutter plötzlich querschnittsgelähmt. Die Familie entschied sich für das Smart-Home-System »Luxorliving«: Licht, Türen, Fenster und Rollläden können nun per App gesteuert werden.

Das erlaubt vom Rollstuhl aus den Zugriff auf alle Funktionen. Eine wetterabhängige Steuerung der Beleuchtung und der Rollläden per Wetterstation macht viele mühsame Hangriffe erst gar nicht mehr notwendig. So war es zwar ein mühsamer und langer Weg zurück zu einem »normalen« Leben für die Familie, aber mit Unterstützung durch Technik war er zumindest möglich.

  • Installation unter dem BodenBild 4: Unter dem normalen Fußboden installiert, kann das System »Sensfloor« Stüze erkennen© Future-Shape

Licht und Tageszeit im Einklang

Eine klassische Unfallquelle, nicht nur für ältere oder eingeschränkte Menschen, sind nächtliche Toilettengänge im Dunkeln. Da das Licht einzuschalten oft bedeutet, »richtig« wach zu werden und schlechter wieder einzuschlafen, huscht man schnell auf vermeintlich bekanntem Terrain ins Bad. Doch liegt etwas im Weg, ist es passiert. Gerade bei allein wohnenden Personen kann es dann Stunden dauern, bis überhaupt jemand auf den Unfall aufmerksam wird, wenn keine weiteren Assistenzsysteme, wie zum Beispiel ein Hausnotruf, vorhanden sind.

Die Lösung liegt in einer zeitabhängigen Dimmwertbegrenzung, die nachts nur gedimmtes Licht zur Verfügung stellt und so angenehme und angepasste Lichtverhältnisse schafft. Auch in diesem Fall ist eine Nachrüstung einfach möglich: UP-Dimmer wie der »Luxorliving D1 S RF« lassen sich hinter dem bereits vorhandenen Taster installieren.

Stürze melden

Ist tatsächlich einmal ein Sturz passiert, gibt es schnelle Hilfe mit dem System »Sens­floor«. Es besteht aus einem Sensor-Underlay, einem kleinen Empfänger und einer Software, die die Sensordaten auswertet und darstellt. Die Sensoren werden unter dem normalen Bodenbelag installiert und verwandeln den gesamten Fußboden, oder Teile davon, in ein riesiges Touchpad (Bild 4). Jede Person, die sich darauf bewegt, hinterlässt Spuren.

Die zugehörige Software wertet diese Spuren aus, erkennt Situationen und löst die hinterlegten Aktionen aus. Das System kann KI-gesteuert alltägliche Abläufe erlernen und auffällige Abweichungen melden. Den Spuren sind keine persönlichen Daten zugeordnet, die Aufzeichnungen sind anonym und datenschutzkonform.

  • Sender und Empfänger DarstellungBild 5: Ist ein Empfänger nicht direkt zu erreichen, kann einem anderen Aktor eine Repeater-Funktion zugewiesen werden© Theben

Planung der Funkreichweite

Eine der häufigsten Fragen zu Funksystemen ist die nach der Reichweite der Komponenten, sowohl bei kompletten Funksystemen als auch bei funkbasierten Erweiterungen verdrahteter Installationen. Die tatsächliche Reichweite hängt von vielen individuellen Faktoren im Gebäude ab. Unter guten Bedingungen kann die Reichweite bis zu 30 m betragen, in ungünstigen Fällen jedoch auch nur wenige m.

Bei der Planung sollte daher die Funk-Reichweite konservativ betrachtet werden, um die Funktionssicherheit zu gewährleisten. Eine Vielzahl an Faktoren beeinflusst die Reichweite des Signals. Erheblichen Einfluss auf die Reichweite haben Decken, Wände und Mobiliar. Während Materialien wie Holz, Gips und Glas das Signal nur wenig dämpfen, sind massive Mauern ein größeres Hindernis für die Funkwellen. Auch große Wasserbassins wie Aquarien schlucken und reflektieren einen Teil der Funkwellen.

Schwierig wird es bei massiven Wänden aus Stahlbeton, mit Metall beschichteten Gläsern oder Trockenbauwänden mit Metallgittern. Aufzugsschächte oder Brandschutztüren sind hingegen nahezu ein Garant dafür, dass kein Signal mehr passieren kann. Die Dämpfung ist darüber hinaus beeinflusst von der Materialdicke.

Können zwei Geräte aus den vorgenannten Gründen keine direkte Kommunikation führen, gibt es einen Ausweg: Gegebenenfalls kann man die Geräte auch als Repeater verwenden. Die Repeater werden individuell für die jeweilige Situation eingerichtet. Die Erfahrung hilft bei der richtigen Einschätzung, da die Erreichbarkeit untereinander von so vielen Faktoren im Gebäude abhängt. So spielen die Lage zueinander und der Winkel, in dem die Funksignale durch die Wand gehen, eine wichtige Rolle: rechtwinkliger Durchgang bedeutet den kürzesten Weg und somit auch den geringsten Signalverlust. Oftmals empfiehlt es sich, zur Inbetriebnahme die räumliche Situation zu prüfen, entweder über einen Gebäudegrundriss oder direkt vor Ort, um zu bestimmen, welche Verbindungen Repeater erfordern (Bild 5).

Auf keinen Fall jedoch sollte man alle Aktoren zu Repeatern machen, um ein besonders starkes Netzwerk zu bauen. Mit diesem Vorgehen erreicht man genau das Gegenteil, da sich zu viel Funkverkehr untereinander stört. Genau dieser Punkt setzt der Größe von RF-Systemen Grenzen. Ein KNX-Funk-System ist also im Objektbereich als Ergänzung zu verstehen, den Wohnbereich kann es in der Regel komplett abdecken.

Für Schnelleser

Aufgrund der demografischen Entwicklung wird sich die Nutzung von Smart-Home-Systemen stärker Richtung technikunterstütztes Wohnen verschieben

Die damit verbundene Akzeptanz der Systeme geht eng mit einem geringen Installationsaufwand einher, daher werden Funksysteme eine entscheidende Rolle spielen

Quelle: 

de – das elektrohandwerk

Autor:

Elmar Schnekenburger, Productmanager Business Unit Building Automation, Theben AG